Lotse - Frühintervention bei Suchtmittelauffälligkeiten
Nach wie vor stellen die Abhängigkeitserkrankungen eines der größten sozialmedizinischen Probleme unsere Zeit dar. Mit den Abhängigkeitserkrankungen verbunden ist nicht nur das individuelle Leid der betroffenen Angehörigen, sondern auch erhebliche volkswirtschaftliche Kosten. Allein die Kosten alkoholbezogener Krankheiten werden nach Angaben des BMG auf ca. 20 Milliarden Euro geschätzt. Der Krankenhausstatistik des Jahres 1997 zufolge waren 2 % der stationären Behandlungsfälle dem Konsum von Alkohol allein und 3,5 % dem Konsum von Tabak und Alkohol zuzuschreiben (Hanke und John, 2003). Berücksichtigt man weiterhin die bei Alkohol oder Tabak attributablen Diagnosen um 1 Tag erhöhte Liegedauer, ergeben sich für das Jahr 1997 Behandlungskosten in Höhe von 2,7 Milliarden Euro. Trotz dieser enormen Kostenbelastung ist in den zurückliegenden Jahren wenig unternommen worden, um frühzeitig auf Krankheitsverläufe einzuwirken und qualifizierte Unterstützungsmaßnahmen zu initiieren. Insbesondere die Möglichkeiten des medizinischen und pflegerischen Versorgungssystems wurden bisher nur begrenzt genutzt. Weder von den niedergelassenen Ärzten, den ärztlichen, pflegerischen und sozialpädagogischen MitarbeiterInnen in den Krankenhäusern noch von den MitarbeiterInnen der ambulanten Pflegedienste werden suchtmittelauffällige Personen in ausreichendem Maße auf die Problematik hingewiesen bzw. angesprochen. Eine mögliche gezielte Vermittlung an Facheinrichtungen wie die Suchtberatungs- bzw. Behandlungsstellen erfolgt nur begrenzt. Vor diesem Hintergrund gilt es, Ansätze zu entwickeln, die auf eine frühzeitigere Intervention zielen und die vorhandenen Veränderungspotentiale bei den betroffenen Personen aktivieren. Diesem Ziel dient das nachfolgend skizzierte Projekt, das der Landesverein für Innere Mission über die Ambulante und Teilstationäre Suchthilfe (ATS) in der Aktivregion Holsteins Herz im Kreis Segeberg umsetzen will.
Mit dem Projekt "Lotse" soll in Zusammenarbeit mit den regionalen Krankenhäusern und den ambulanten Pflegediensten der Wohlfahrtsorganisationen ein Angebot der Frühintervention für Personen mit einer Suchtmittelproblematik geschaffen werden. Inhaltlich geht es um:
- die Qualifizierung des medizinischen und pflegerischen Fachpersonals, damit diese in der Lage sind, Personen mit einer Suchtmittelproblematik gezielt anzusprechen und auf die Suchtberatungsangebote hinzuweisen
- die Kontaktaufnahme des medizinischen und pflegerischen Fachpersonals oder des/der PatientIn bzw. des/der Pflegebedürftigen mit der ambulanten Suchthilfe zur Terminierung eines ersten Beratungsgespräches
- die Realisierung des Beratungskontaktes – parallel bzw. unmittelbar nach Abschluss der Akutbehandlung
- die nachhaltige Anbindung an das ambulante Hilfesystem sowie
- die strukturelle Verzahnung der Suchthilfeeinrichtungen in der Region.
Folgende Elemente sind in diesem Zusammenhang zu nennen:
- Qualifzierungsmaßnahmen für das medizinische, pflegerische und sozialpädagogische Fachpersonal in den Kooperationskrankenhäusern in Bad Segeberg sowie für die MitarbeiterInnen der ambulanten Pflegedienste der Wohlfahrtsorganisationen in der Region.Die Maßnahmen, die der höheren Akzeptanz wegen kostenlos angeboten werden, dienen der Schulung und Beratung hinsichtlich des Suchthilfesystems, der Angebotsstruktur der ambulanten Suchthilfe sowie der Ansprache auffälliger PatientInnen, damit das medizinische, pflegerische und sozialpädagogische Fachpersonal als Multiplikator tätig werden kann.
- Realisierung von Beratungskontakten (Klärung der aktuellen Situation, Information über das Suchthilfesystem, ggfs. Einleitung einer ambulanten Beratungsphase). Die Kontaktaufnahme zu dem Patienten / der Patientin bzw. des / der Pflegebedürftigen mit Hilfe des medizinischen, pflegerischen oder sozialpädagogischen Fachpersonals soll die Überleitung in ein ambulantes Beratungssetting unterstützen und dazu beitragen, dass die betroffenen Personen frühzeitig professionelle Hilfe annehmen.
- Die Vernetzung und Kooperation mit anderen Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe in der Region Die Vernetzung und Kooperation mit dem Hilfesystem (Arztpraxen, Pflegedienste, Beratungsstellen, etc.) stellt einen wesentlichen Bestandteil des Vorhabens dar, da der Schwerpunkt neben der Information und Motivation auf der Vermittlung in geeignete Betreuungs- bzw. Behandlungsmaßnahmen liegt.
- Informations- und Öffentlichkeitsarbeit
Die Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema Sucht sowie die Förderung des Informationsflusses unter den beteiligten Einrichtungen ist ein wichtiges Anliegen des Vorhabens.
Zielsetzung
Das Projekt verfolgt mehrere Zielsetzungen. Zum einen sollen die handelnden Akteure im medizinischen und pflegerischen Versorgungssystem (Ärzte, Pflegepersonal, Sozialdienst) in Bezug auf das Thema Sucht aber auch hinsichtlich der Kompetenz Gesprächsführung qualifiziert werden, um einerseits als Multiplikatoren in Bezug auf die Ansprache von Personen mit einer Suchtmittelproblematik fungieren zu können, zum anderen, um ihre beruflichen Kompetenzen zu erweitern und somit einen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung zu leisten. Andererseits dient das Projekt der Frühintervention in Bezug auf Suchterkrankungen, indem Menschen mit einer Suchtproblematik von qualifizierten Fachkräften auf wahrgenommene Auffälligkeiten angesprochen und auf Beratungsangebote hingewiesen werden. Darüber hinaus soll im Rahmen des Projektes die Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen der Suchthilfe und dem medizinischen und pflegerischen Versorgungssystem verbessert und die Bevölkerung in der Aktivregion Holstein für das Thema Sucht sensibilisiert werden.
Kooperationspartner
Kooperationspartner sind die beteiligten Krankenhäuser in Bad Segeberg (Herzklinik, Allgemeines Krankenhaus, Psychosomatik) sowie die ambulanten Pflegedienste der Diakonie, des Deutschen Roten Kreuzes sowie der Arbeiterwohlfahrt.
Strukturwirksamkeit
Das Projekt soll zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen dem medizinischen und pflegerischen Versorgungssystem und den Einrichtungen der Suchthilfe beitragen und somit einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesundheitsregion Segeberg leisten.