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800 Projekte in fünf Jahren

Schleswig-Holsteins 22 Aktivregionen haben seit 2015 im ländlichen Raum Investitionen von 107,6 Millionen Euro ausgelöst. Eine Online-Karte zeigt die Vielfalt der Projekte – auch, um zu neuen zu inspirieren.

Mehr Lebensqualität und mehr Kommunikation“: Hans-Jürgen Kütbach muss nicht lange überlegen, wenn er in wenige Worte kleiden soll, wie die 22 Aktivregionen in Schleswig-Holstein den Alltag im Norden vorangebracht haben. Kütbach, zugleich Bürgermeister von Bad Bramstedt, ist Sprecher ihres landesweiten Netzwerks. 1008 Kommunen decken die Aktivregionen ab. Die 2007 geschmiedeten  Gebilde haben eine Schlüsselstellung für die Entwicklung des ländlichen Raums. Wird doch der Löwenanteil aller Fördermillionen für die ländliche Entwicklung über sie verteilt. Und das ist alles andere als wenig: In der jetzt zu Ende gehenden aktuellen EU-Förderperiode haben die Aktivregionen mit 33,4 Millionen Euro aus Brüssel in Schleswig-Holstein Gesamt-Investitionen von 107,6 Millionen ausgelöst. 800 Projekte sind daraus entstanden. Beim Schwerpunkt „Klimawandel & Energie“ waren es zum Beispiel 133 mit einem Volumen von 17,4 Millionen Euro.
 

Suche nach Themen – oder geografisch

Von der E-Ladesäule bis zum Erlebnisspielplatz, vom neuen Dorfplatz bis zum Nordic-Walking-Parcours, vom energetisch modernisierten Freibad bis zum Kulturtreff: Die Bandbreite, der mit dem Geld gewässerten Pflänzchen ist vielfältig. Auf einem virtuellen Spaziergang kann das jetzt jeder im Detail nacherleben: Die Akademie für die Ländlichen Räume (ALR) hat dazu eine Online-Landkarte erstellt. Dort lassen sich zum Beispiel Themen wie Tourismus, Bildung, Klimaschutz und andere auswählen – und nach nur einem Mausklick zeigt die Karte alles an, was dazu in den vergangenen fünf Jahren an Neuem geschaffen worden ist. Auch kann themenübergreifend geografisch gesucht werden oder nach einzelnen Förderprogrammen für den ländlichen Raum. Zu jedem Projekt gibt es einen Steckbrief mit Foto, Basis-Informationen, Kosten und Links. Die Adresse: http://www.alr-sh.de/foerdermoeglichkeiten/interaktive-projektkarte-sh/
 

„Ein Blick auf das bereits Erreichte macht Mut für Neues“, betont ALR-Vorsitzender Hermann-Josef Thoben. „Man kann in der Datenbank sehen, womit andere schon Erfolg gehabt haben“, sagt Aktivregionen-Sprecher Kütbach. Lob kommt von Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack, die in der Landesregierung für den ländlichen Raum verantwortlich ist: „Jetzt ist es ganz einfach, einmal nachzuschauen, was andere Regionen an beispielgebenden Ideen entwickelt und umgesetzt haben“, sagt die CDU-Politikerin. „Dies kann gute Impulse setzen und eigene neue Projekte anstoßen.“ Denn klar ist: Auf die vergangene folgt die nächste, dann fünfjährige Förderperiode der EU mit frischem Geld für die Aktivregionen. Die Höhe steht noch nicht fest. Denn die Mittel für den ländlichen Raum sind ein Anhang des europäischen Agrarbudgets, und dessen Einzelheiten werden derzeit noch festgezurrt.

Einen hohen Stellenwert räumt Sütterlin-Waack der Förderung so genannter Ortskern-Entwicklungskonzepte aus den Fördermillionen für die Dörfer ein. 200 solcher Strategien sind bereits bezuschusst worden. Die Ministerin findet sie so bedeutend, „weil aus jedem dieser  Entwicklungskonzepte „gleich mehrere, für die Kommune jeweils wichtige Schlüsselprojekte generiert werden“. Das bilde eine wichtige Basis „für die Selbststärkung unserer Dörfer und Städte in den ländlichen Räumen“.
 

Bestimmt über die Projekte wird vor Ort

Dass die 33,4 EU-Millionen in den Aktivregionen 107,6 Millionen Investitionen ausgelöst haben, liegt im wesentlichen an Ko-Finanzierungen der Kommunen selbst und zu einem vergleichsweise geringen Teil auch des Landes. Die Zuschuss-Quoten bei den ländlichen Fördermitteln schwanken je nach Projekt zwischen 45 und 80 Prozent. Welche Projekte Priorität haben, bestimmen vor Ort so genannte Lokale Aktionsgruppen (LAG) in den Aktivregionen selbst. Neben Kommunalpolitikern und Verwaltungsleuten stellen gesellschaftliche Gruppen feste Mitglieder, etwa Wirtschaft, Naturschutz, Kultur oder soziale Organisationen. „Es gibt nicht so viele anderen Foren, wo sich all die Akteure in dieser Mischung sonst treffen“, hebt Kütbach hervor.
 

Ruf nach mehr Flexibilität und weniger Bürokratie

An diesem „Bottom-Up-Ansatz“, der viele Perspektiven vereint, will das Netzwerk der 22 Aktivregionen festhalten. „Diese regional verankerte Beteiligung kann auch in der nächsten Förderperiode eine wichtige Rolle spielen, etwa, wenn es um die wirtschaftliche Stärkung in der Zeit nach Corona geht“, sagt Kütbach. In anderer Hinsicht sieht das Netzwerk jedoch in der künftigen Förderperiode durchaus Veränderungsbedarf. In einem Positionspapier tritt das Netzwerk dafür ein, klassische Anliegen der ländlichen Entwicklung wie Daseinsvorsorge, regionale Wirtschaft und  Infrastruktur an neuen Querschnittsthemen auszurichten. Die Vorschläge dazu lauten „Klimaschutz und Nachhaltige Entwicklung“, „Demokratie & Engagement fördern“, „Interkommunale Kooperation stärken“ und „digitalen Wandel gestalten“. Neben einer begrifflichen Strahlkraft nach außen versprechen sich die Aktivregionen davon die Integration neuer Zukunftsthemen und mehr  Flexibilität beim Stricken von Projekten. Anders als bisher, so ein weiterer Appell, sollte pro  Aktivregion einzelnen Förderthemen nicht mehr ein festes Einzelbudget zugewiesen werden. Das habe sich „als zu unflexibel und nicht praxistauglich erwiesen“, bemängeln die Autoren. Die Festlegung eines Betrags x für Thema y musste schon zu Beginn der Förderperiode für die ganze Laufzeit erfolgen – obwohl sich doch die Welt und die Bedürfnisse fortlaufend ändern.

Auch einen erneuten Anlauf zur Entbürokratisierung unternimmt das Positionspapier. Das ist nicht zuletzt eine Reaktion auf eine Kritik des Landesrechnungshofs. Der findet, dass der Aufwand für die Projektverwaltung durch die Geschäftsstellen der Lokalen Aktionsgruppen unverhältnismäßig hoch sind. Noch werde sehr viel Papier ausgefüllt, heißt es von Akteuren der ländlichen Entwicklung. Die Wende sollen digitalisierte Förderanträge bringen. Vereinfachte und beschleunigte Abläufe verspricht man sich davon. Aktivregionen sollen zudem beim Land Sach- und Personalkosten stärker über Pauschalen statt über Einzelnachweise abrechnen können. Und auch die Online-Landkarte sieht das Aktivregionen-Netzwerk als Vereinfachung für die Administration. Schließlich liefere der Überblick Anhaltspunkte, welche Projektkonstellationen förderfähig sind.

 

Beispielhaft

Es gibt auch Projekte, die Aktivregionen landesweit ausgerollt haben. Drei Beispiele sind das Dörpsmobil: erfunden im nordfriesischen Klixbüll. Das Car-Sharing-Projekt in mittlerweile allen Aktivregionen bietet individuelle Mobilität auf dem Land, ohne dass man ein eigenes Auto besitzen muss. Betrieben werden die Leih-Pkw mit Öko-Strom. www.doerpsmobil-sh.de
 

Das Musiculum-Mobil: Es bietet eine musikpädagogische Grundversorgung auch dort, wo es keine Musikschule gibt. Das Mobil ist ein großer bunter Transporter, der mit Musikinstrumenten, Musikspielen und Klangexponaten ausgestattet ist. Die Lern- und Experimentierwerkstatt besucht Kindertagesstätten, kann aber auch für öffentliche und private Veranstaltungen und Feste gebucht werden. www.musiculum-mobil.de
 

Jugend gestaltet nachhaltige Zukunft: In 21 Aktivregionen will das Projekt Jugendliche gewinnen, die Zukunftskonzepte für ihr geografisches Umfeld entwickeln. Ein Schwerpunkt soll auf  umsetzungsorientierten Ideen liegen.
 

Quelle: shz, den 28.05.21, von Frank Jung