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Mit EU-Mitteln: Von der Eierhütte zum Hofladen mit Lernort

Die Eierhütte von Familie Rath kennt jeder in Zarpen. Jetzt soll aus der Verkaufsstelle ein Hofladen werden – mit angeschlossenem Lernort. „Holsteins Herz“ eine Initiative der EU fördert das Projekt mit 50.000 Euro.

Landwirtin Hendrikje Rath hat vor drei Jahren die Eierhütte gegründet. Jetzt möchte die 27-Jährige ihren großen Traum verwirklichen: einen Hofladen. „Holsteins Herz“ unterstützt das Projekt mit einer 50-prozentigen Förderung.

Hof Rath am Rand von Zarpen ist seit 1926 in Familienbesitz. Der einstige Milchviehbetrieb mit Ackerbau baut verschiedene Standbeine mit Selbstvermarktung auf, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Fotos: Britta Matzen

Für Hendrikje Rath wird ein großer Traum wahr. Auf dem familieneigenen Betrieb in Zarpen entsteht ein neuer Hofladen. Die 27-jährige Agrarbetriebswirtin ist schon sehr gespannt. „Ich habe so viel für dieses Projekt gearbeitet, ich freue mich riesig, wenn wir loslegen können.“ Vor wenigen Tagen bekamen die Raths die Förderzusage von „Holsteins Herz“. Mit 50.000 Euro aus Mitteln des europäischen Landwirtschaftsfonds wird das Vorhaben der Zarpener Landwirte unterstützt. „Darüber freuen wir uns sehr. Das ist eine 50-prozentige Förderung, wobei wir die Mehrwertsteuer selber bezahlen“, sagt Vater Hanno Rath. Das Gesamtprojekt ist mit 115.000 Euro veranschlagt.

Familienbetrieb seit 1926

Seit 1926 ist der Hof am Rand von Zarpen im Besitz der Familie Rath. „Mein Opa hat ihn damals von seinem Onkel übernommen, mein Vater von seinem Vater, und künftig werde ich den Hof führen“, berichtet Hendrikje Rath, die den Betrieb in vierter Generation weiter betreiben möchte. Sie habe zwar noch drei Brüder, doch die seien an der Landwirtschaft wenig interessiert. „Diese Leidenschaft wurde nur an mich vererbt.“

Ursprünglich war der Hof der Raths ein reiner Milchviehbetrieb mit Ackerbau. „Raps, Weizen und Gerste wurden hier angebaut – und natürlich Gras und Mais für die Kühe. Das ist immer schon so gewesen, bis ich kam.“ Als Hendrikje Rath vor drei Jahren die höhere Landbauschule abgeschlossen hatte, schaffte sich die Familie noch direkt in dem Sommer das erste Hühnermobil an. Ein Jahr später kam das zweite, im Jahr darauf das dritte Hühnermobil dazu. Natürlich auch der Eier wegen, aber die junge Landwirtin hat eine große Leidenschaft: das gackernde Federvieh.

Hühnermobil – Gut Wulksfelde als Vorbild

„Schon als Kind hatte ich immer Hühner. Das war mein Hobby. Während meiner Ausbildung habe ich ein Jahr auf Gut Wulksfelde verbracht, die hatten damals ein ziemlich großes Hühnermobil. Da bin ich auf diese Art Hühnerhaltung aufmerksam geworden. Das ist viel besser als ein normaler Hühnerauslauf, weil man mit dem Mobil weiterziehen kann, wenn die Hühner ganzes Gras weggepickt haben. Davon war ich total begeistert.“ Als sie ihrem Vater Hanno Rath diese besondere Hühnerhaltung präsentierte, sei er zum Glück nicht abgeneigt gewesen.

AktivRegion Holsteins Herz

Die Lokale Aktionsgruppe AktivRegion Holsteins Herz liegt zentral im Städtedreieck Hamburg, Lübeck und Neumünster. Die Region hat eine Fläche von 946,26 km² mit derzeit 136.096 Einwohnern.

Die Gruppe ist Teil einer Initiative der Europäischen Union und verfügt in der Förderperiode 2014-2020 über eine Summe von ca. 2,86 Millionen Euro aus dem Europäischer Fond für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Mit dieser Fördersumme werden nachhaltige Projekte in der AktivRegion gefördert, die zur positiven Entwicklung der Region beitragen.

720 Hühner hüpfen bei den Raths inzwischen gackernd über die grünen Wiesen. Die Eier werden in der kleinen Eierhütte verkauft, wo sie wie geschnitten Brot weggehen. „Die Leute sehen ja von der Straße, dass es unseren Hühnern gut geht und dass sie immer frisches Grün haben. Das ist das, was die Gesellschaft heute will und auch unterstützen möchte.“ Wer Zarpener Eier ergattern will, muss früh aufstehen. „Morgens um 9 Uhr kriegt man noch welche, aber gegen Mittag sind sie meistens alle ausverkauft.“

Ungespritzte Kräuter und Gemüse von Segeberger Gärtnerin

Neben Eiern bieten die Raths auch Kartoffeln eines Nachbarbetriebs und lokalen Honig an. „Ganz heiße News: Seit zwei Wochen haben wir auch ungespritztes Gemüse“, verrät die 27-jährige Bäuerin. Durch Zufall habe sich das ergeben. Auf einer Party lernte Hendrikje Gärtnerin Jennifer Otto aus Gönnebek kennen, die mehrere Gewächshäuser hatte. „Eines ihrer Gewächshäuser stand leer. Da habe ich sie aus Jux gefragt, ob sie Lust hat, für uns Gemüse anzupflanzen. Eigentlich war das nur so daher gesagt“, erinnert sich die Zarpener Landwirtin. „Wieso eigentlich nicht? Das können wir doch mal ausprobieren“, meinte die 28-jährige Gärtnerin. Das war vor drei Monaten im März, genau in der Zeit, in der man Gemüse anpflanzt. „Jetzt vor zwei Wochen hat sie die ersten Gurken, den ersten Salat und Basilikum geerntet. Das Gemüse haben wir in der Eierhütte mit ins Regal gestellt. Die Kunden sind ganz begeistert, denn regionales Gemüse, von dem man bedenkenlos abbeißen kann, ist bei uns in der Gegend selten zu kriegen.“

Milchtankstelle und hofeigenes Rindfleisch

Um all die hofeigenen und zugekauften regionalen Produkte an den Mann und die Frau zu bringen, ist die Eierhütte jedoch zu klein. Deshalb hat Hendrikje Rath viel Zeit aufgewendet, um ein Konzept für einen Hofladen zu erarbeiten. Noch wird der Antrag vom Landesamt für Landwirtschaft (LLUR) geprüft. „Wir warten noch auf die endgültige Zusage des LLUR“, so die Zarpenerin. Doch wenn diese kommt, kann sie mit der Fördersumme von 50.000 Euro ihren großen Traum verwirklichen. „Im künftigen Laden soll auch Rindfleisch vom Hof verkauft werden. Auch eine Milchtankstelle ist im Selbstbedienungsbereich angedacht. Fleisch und Milch kommen von glücklichen Rindern, die auf der Weide grasen. „Wir haben 170 Rinder, davon 70 Kühe, die wir melken.“

Hendrikje Rath will mit ihrem Konzept den Hof retten

Hof Rath ist ein konventioneller Betrieb. „Aber mit starkem Hang zur artgerechten Tierhaltung. Im Grunde sind wir ein Zwischending zwischen Bio und konventionell. „Wir verwenden genfreies Futter, unsere Tiere dürfen raus, auch wenn das für uns auch mehr Arbeit bedeutet.“ Hendrikje Rath sieht jedoch das große Ganze. Sie möchte den Hof in die Zukunft zu führen. „Wir sind ein kleiner Betrieb, der für den Weltmarkt nicht groß genug ist, um auf Dauer weiter zu existieren. Da musste ein zweites, drittes und viertes Standbein her, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Ich wollte nämlich nicht, dass wir unseren Kuhstall noch verdoppeln oder verdreifachen und uns hoch verschulden müssen –und dann nicht einmal zu wissen, ob man mit Milch überhaupt noch überleben kann.“ Der Hof sei fast 100 Jahre in Familienbesitz, ihr Vater und ihr Opa hätten ihr ganzes Leben in den Hof gesteckt. „Das darf einfach nicht verloren gehen“, macht die junge Frau deutlich. Mit der Komplett-Ummodelung hofft sie, den Bauernhof ihrer Vorväter zu retten.

Außerschulischer Lernort

Schon vor Corona hatte Hendrikje Rath Kindergruppen zu Gast. „Die waren immer total glücklich, wenn sie mal ein Huhn streicheln durften und erleben konnten, wo das Essen herkommt.“ Das sei etwas ganz anderes, als im Supermarkt ins Regal zu greifen. Was es bedeutet, mit gutem Gewissen einzukaufen und zu essen – das sollen Kinder auch künftig auf dem Hof Rath erlernen. Neben dem Verkaufsbereich wird der landwirtschaftliche Betrieb zum außerschulischen Lernort weiterentwickelt, indem Hofführungen und Informationsveranstaltungen einen Einblick in die Landwirtschaft vermitteln. Mittels Bauernhofpädagogik erleben Kindergartenkinder und Schüler, wo die Lebensmittel herkommen und welche jahreszeitlichen Abläufe auf einem landwirtschaftlichen Betrieb stattfinden. Im Küchenbereich werden die hofeigenen Lebensmittel gemeinsam verarbeitet. Von Britta Matzen

 

Quelle: LN, 19.06.2020